Statistische Auswertungen zu der Anzahl von Tierversuchen wirken zunächst einmal beruhigend: Die Zahl der Tierversuche ist in Deutschland allgemein rückläufig. Für das Jahr 2022 veröffentlichte das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R), dass die Zahl der verwendeten Versuchstiere um 7 % abgenommen hat. Doch noch immer wurden 1,73 Millionen Wirbeltiere und Kopffüßer für die verschiedensten Versuche genutzt.
Schon international sehen diese Zahlen anders aus, viele Länder wie die USA veröffentlichen gar keine offiziellen Statistiken. Dabei sind die Vereinigten Staaten für einen Großteil der Tierversuche verantwortlich. Vor allem stellt sich aber die Frage, was für eine erschreckende Dunkelziffer es gibt.
Als Veganer ist es unsere Verantwortung, die Realität hinter den Zahlen zu kennen und entsprechend zu handeln.
Die Realität hinter den offiziellen Zahlen
Bleiben wir allein in Deutschland, fällt schnell auf, dass die Zahl gesetzlich vorgeschriebener Tierversuche sowohl absolut als auch relativ abnimmt. Versuche, um beispielsweise Medikamente zu testen und damit Menschen zu schützen, werden immer seltener. Im Jahr 2018 lag der relative Anteil noch bei 22,6 %, was insgesamt 484.254 Tierversuche bedeutete. Im Jahr 2022 lag diese Zahl nur noch bei 272.452 – was noch einen Anteil von 15,8 % ausmachte.
Weiterhin sind die allermeisten Tierversuche also nicht gesetzlich vorgeschrieben, sondern dienen anderen Dingen wie der Grundlagenforschung. Und deren relativer Anteil nimmt stetig zu. Erschreckend ist, dass die Zahl, der für zu Versuchszwecken getöteten Tiere um 11 % auf 711.939 gestiegen ist – und diese zählen zusätzlich zu den offiziell 1,73 Millionen Versuchstieren.
Was zählt in der offiziellen Statistik überhaupt als Tierversuch?
In die offizielle Statistik über Tierversuche fließen verschiedene Arten von Experimenten und Verwendungen von Tieren ein. Experimentelle Studien, die darauf abzielen, neue Erkenntnisse zu gewinnen oder Hypothesen zu testen, werden erfasst. Dies kann in verschiedenen Bereichen der Forschung geschehen, einschließlich Medizin, Biologie und Psychologie. Des Weiteren werden Tierversuche häufig verwendet, um die Sicherheit und Wirksamkeit von Medikamenten zu testen, bevor sie am Menschen getestet werden. Toxizitätsprüfungen, um die möglichen schädlichen Auswirkungen von Chemikalien, Produkten oder Umweltfaktoren zu untersuchen, werden ebenfalls erfasst.
Obwohl Tierversuche für kosmetische Zwecke in vielen Ländern verboten sind, werden sie in einigen Regionen immer noch durchgeführt und müssen entsprechend gemeldet werden. Schließlich werden auch Tierversuche für Lehr- und Ausbildungszwecke erfasst, bei denen Tiere verwendet werden, um bestimmte Konzepte oder Verfahren zu vermitteln. In die offizielle Statistik über Tierversuche fließen allerdings nicht alle Arten von Tätigkeiten oder Experimenten ein, bei denen Tiere verwendet werden. Teilweise liegt das auch daran, weil diese Tiere gar nicht für die Versuche eingesetzt werden.
Das unsichtbare Leiden: Die Dunkelziffer bei Tierversuchen
Insbesondere „Überschusstiere“ werden nicht in der offiziellen Statistik gezählt. Diese dienen vornehmlich der Zucht – beispielsweise auch denn, wenn die Nachkommen durch genveränderte Methoden beeinflusst werden. Viele Tiere werden zudem in Laboren geboren, aber nie für Versuche eingesetzt. Das ist letztlich oftmals unvermeidbar, da viele Tiere ein sehr breites Spektrum bei Ihren Würfen haben. Ratten und Mäuse bekommen so zwischen 5 und 12 Babys. Weil eine Vermittlung und die Haltung zu teuer ist, werden solche Überschusstiere meistens getötet. Auch nicht-invasive Verfahren wie Bildgebung oder Verhaltensstudien, die laut Angabe der Forscher keinen Schmerz oder Stress verursachen würden, müssen nicht in die Statistik gezählt. Allerdings ist es zutiefst intransparent, ob und welche Auswirkungen diese Studie haben, da die Tiere kein menschlich eindeutiges Ausdrucksvermögen besitzen.
Gibt es Alternativen?
Oftmals wird als Grund für Tierversuche genannt, dass diese notwendig sind, um Wissen zu erwerben und Menschen zu schützen. Eine abschließende Beurteilung, ob wirklich in jedem Fall ein Tierversuch vermieden werden kann, ist zwar kaum möglich. Aber die Zahl der Tierversuche könnte auf jeden Fall sehr viel stärker als bisher eingeschränkt werden. Dabei muss nicht auf Grundlagenforschung verzichtet werden oder Menschen unangebrachte Gefahren ausgesetzt werden. So sind verschiedene Methoden als gleichwertiger Ersatz für Tierversuche möglich: In-vitro-Methoden, Computersimulationen, Mikrofluidik-Systeme, In-silico-Modelle und Organ-on-a-Chip-Technologie.
Hier eine kurze Erklärung dazu:
In-vitro-Methoden: Es werden – üblicherweise menschliche – Zellkulturen oder Gewebemodelle genutzt. Damit lassen sich etwa die Toxizität von Chemikalien, die Wirkung von Medikamenten und Krankheitsmechanismen untersuchen
Computersimulationen: Abläufe von komplexen biologischen Prozessen können detailgenau simuliert und vorhergesagt, beispielsweise was die Medikamentenwirkung anbetrifft
Mikrofluidik-Systeme: Diese Systeme verwenden winzige Kanäle und Kammern, um Zellen oder Gewebe in einer kontrollierten Umgebung zu kultivieren und beispielsweise auf ihre biologischen Prozesse hin zu analysieren.
In-silico-Modelle: Diese Modelle verwenden mathematische und statistische Analysen, um biologische Prozesse zu modellieren und vorherzusagen. Sie funktionieren damit ähnlich von Computersimulationen.
Organ-on-a-Chip-Technologie: Mit mikrofluidische Systeme werden Organe, Gewebe und anderes in einem Chip simuliert. Sie reagieren damit genauso wie im menschlichen Körper und können sogar individuell auf eine einzelne Person abgeglichen werden, um in komplexen Fällen eine Behandlung vorab zu testen.
Bewusst leben: Was wir als Veganer tun können
Falsche Ansichten und Vorurteile sind häufig anzutreffen, wenn es um das Thema Tierversuche geht. Viele verweisen zwar auf reale Zahlen, sehen aber nicht die Realität dahinter. Als Veganer können wir aktiv dazu beitragen, Tierversuche zu reduzieren und Produkte zu vermeiden, die unter Einsatz von Tierversuchen hergestellt wurden. Dazu können wir verschiedene Maßnahmen ergreifen. Informieren und Aufklären ist ein wichtiger Schritt. Wir können das Bewusstsein für die Problematik von Tierversuchen schärfen, indem wir Informationen teilen und Diskussionen in unserer Gemeinschaft fördern. Durch das Teilen von Artikeln und Dokumentationen können wir andere Menschen über die Realität der Tierversuche informieren und sie dazu ermutigen, sich ebenfalls für den Tierschutz einzusetzen. Weiterhin können wir Organisationen und Forschungsprojekte unterstützen, die alternative Methoden zur Tierversuchsforschung entwickeln und fördern. Durch Spenden oder ehrenamtliche Arbeit können wir dazu beitragen, dass diese weiterentwickelt und umgesetzt werden.
Ein weiterer wichtiger Schritt ist das Treffen konsequenter Kaufentscheidungen. Wir können Produkte und Marken meiden, die auf Tierversuche setzen und sich alternativen Methoden verschließen. Dazu gehören nicht nur Kosmetik- und Reinigungsprodukte, sondern auch Medikamente und andere Artikel des täglichen Bedarfs. Stattdessen können wir gezielt nach veganen und tierversuchsfreien Alternativen suchen und Unternehmen unterstützen, die sich für ethische und nachhaltige Praktiken einsetzen. Wenn wir Unternehmen fördern, die auf alternative Untersuchungsmethoden setzen, werden sich diese langfristig gegen die Konkurrenz durchsetzen können.