Selbst in unserer zunehmend gespaltenen Gesellschaft gibt es kaum ein Thema, das mehr polarisiert als Veganismus. „Ich lass mir doch mein Schnitzel nicht wegnehmen!“, sagen die einen. „Ist euch das Tierleid denn egal?“, fragen die anderen. Doch eine vegane Ernährung ist weit mehr als ein Beitrag zum Tierschutz. So kann sie zur menschlichen Gesundheit genauso beitragen wie zum Klimaschutz. Behaupten zumindest die Befürworter. Aber stimmt das auch wirklich? Wir werfen einen Blick auf Mythen und Fakten.
Vegane Ernährung befördert die Gesundheit
Mittlerweile gibt es Studien, die belegen, dass Menschen, die sich vegan ernähren im Durchschnitt an einer geringeren Anzahl sogenannter Zivilisationskrankheiten leiden als Menschen, die sich nicht vegan ernähren.
Dies liegt hauptsächlich darin begründet, dass Veganer mehr Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse und Vollkornprodukte verzehren. Dies beugt Übergewicht und Typ-2-Diabetes vor. Auch sind sie nicht dem Risiko ausgesetzt, welches von einer Ernährung mit (rotem) Fleisch begünstigt wird, nämlich der häufigeren Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Darmkrebs. In Verbindung mit Fleischverzehr werden zudem Leiden wie Schlaganfall, Atemwegserkrankungen, chronische Leber- und Nierenerkrankungen sowie Infektionen und sogar Alzheimer gebracht.
Vor allem haben aber Menschen, die sich fleischlos ernähren, im Allgemeinen auch einen gesünderen Lebensstil, konsumieren also weniger Genussmittel und bewegen sich mehr. Studien an professionellen Leistungssportlern haben gezeigt, dass Veganer durchaus über Ausdauer und Muskelkraft verfügen – nur holen sie sich ihre Proteine eben aus nicht-tierischen Quellen.
Exkurs am Beispiel konventioneller vs. veganer Wein
Doch ist ein veganer Lebensstil weit mehr als nur eine tierproduktfreie Ernährung. Wer vegan lebt, stellt sein komplettes Leben um: Ob Kleidung, Kosmetik oder Wein – alles erfährt eine Prüfung auf mögliches Tierleid.
Wieso Wein, fragen sich viele. Ist Wein nicht automatisch vegan? Ist er nicht, denn vielfach kommen zur Klärung des Weins tierische Proteine zum Tragen, von Eiklar über Protein aus Fischblasen und Gelatine zu aus Magermilch gewonnenem Kasein. Auch kommen als Gärungshilfe im konventionellen Weinanbau tierische Enzyme zum Einsatz. Dies muss auf der Flasche nicht einmal deklariert werden.
Umgekehrt sind viele Weine von Haus aus vegan, ohne dass dies auf dem Etikett vermerkt ist. Veganer Wein ist aber nicht nur für die menschliche Gesundheit ein Gewinn – auch die Umwelt profitiert von seiner Herstellungsweise. Die pflanzlichen Alternativen, die für die Weinproduktion verwendet werden (zur Klärung etwa Aktivkohle, Bentonit oder Kieselgur, zur Gärung pflanzliche Enzyme), verursachen schon einmal kein Tierleid.
Vegane Ernährung benötigt weniger Flächen für den Ackerbau
Aber auch darüber hinaus wird durch vegane Produktionsmethoden die Umwelt und damit letzten Endes das Klima geschont. Schließlich werden die wenigstens Lebensmittel, die tierische Bestandteile aufweisen, nur mit tierischen „Nebenerzeugnissen“, die an anderer Stelle „ohnehin anfallen“, produziert. Für die meisten Erzeugnisse werden die sogenannten „Nutztiere“ eigens gezüchtet. Diese verbrauchen im Laufe ihres Lebens sehr viel Grünfutter und damit Ackerfläche, die man der menschlichen Ernährung zugutekommen lassen würde.
Vor allem, wenn man bedenkt, dass große Flächen des Regenwaldes extra abgeholzt werden, um Ackerfläche für Menschen entstehen zu lassen. Das Umweltbundesamt, die zentrale Umweltbehörde der Bundesrepublik Deutschland, gibt zu Protokoll, dass der persönliche Flächenfußabdruck eines Veganers um fast die Hälfte (genau: 49 Prozent) geringer ist als das eines Nicht-Veganers.
Es klingt absurd: Obwohl sich ein Veganer vermehrt von Ackerprodukten ernährt, benötigt er weniger Ackerfläche.
Veganismus senkt die Emissionen schädlicher Klimagase
Auch in Sachen Emissionsausstoß schneidet vegane Ernährung besser ab. Die Erzeugung von einem Liter Milch, so hat die FAO, also die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, herausgefunden, setzt ebenso viele klimaschädliche Emissionen frei wie ein Liter brennendes Benzin. Ohnehin gelten Milchprodukte als wahre Klima-Killer, obgleich man die Emission der bei ihrer Produktion freigesetzten Gase wie Kohlendioxid, Methan- und Lachgas nicht sehen kann – beim brennenden Benzin schon.
Das extrem klimaschädliche Lachgas beispielsweise entsteht bei der Ausbringung synthetischer Düngemittel für die Futterpflanzen der Kühe. Die Rodung von Waldgebieten zur Gewinnung von Ackerland wiederum beschleunigt den Klimawandel, da Wald als eine Art CO2-Speicher gilt. Bei seiner Rodung wird der gesamte im Wald gespeicherte Kohlenstoff schlagartig in die Atmosphäre freigesetzt.
Die Rinder selbst, die für die Milchproduktion eingesetzt werden, erzeugen große Mengen an Methangas. Auch dieses entweicht ungehindert in die Atmosphäre. Es gilt als gesichert, dass Methan etwa 25-mal so klimaschädlich ist wie Kohlendioxid.
By the way: Lachgas ist ungefähr 200-mal so klimaschädlich wie Kohlendioxid, weshalb man heutzutage auch nicht mehr nur von CO2-Emissionen, sondern von den Emissionen von CO2-Äquivalenzen spricht.
Senkung unseres Ausstoßes an CO2-Äquivalenzen: Veganismus ist nur der Anfang
Wer also wie die Veganer auf Milchprodukte verzichtet, sorgt dafür, dass mittelfristig ein geringerer Bedarf an Milchprodukten entsteht und dadurch zukünftig weniger Rinder gehalten werden, für die man weniger Ackerflächen bewirtschaften muss. Natürlich gilt diese Rechnung auch für Rinder, die für den Fleischkonsum gezüchtet werden. Kaum bis keinen direkten Einfluss haben Veganer auf die Emissionen, die durch Wohnen, Stromerzeugung oder andere öffentliche Emissionen, etwa im Straßenbau, anfallen.
Allein die vegane Ernährung wird das Klima nicht retten können – doch verringert sich der persönliche Fußabdruck allein durch pflanzenbasierte Ernährung merklich. So etwa spart eine vegane Ernährung gegenüber der durchschnittlichen herkömmlichen Ernährung 38 bis 52 Prozent an CO2-Emissionen und deren Äquivalenzen wie Lachgas oder Methan ein. Laut Bundesumweltamt entspricht das etwa jenem Effekt, den es hätte, würde man ein halbes Jahr lang kein Auto nutzen.
Insofern lässt sich, auch wenn vegane Ernährung sicherlich kein Wundermittel zur Heilung der Welt ist, die Eingangsfrage ganz klar beantworten. Hilft vegane Ernährung wirklich beim Klimaschutz? Ja, lässt sich mithilfe von Daten belegen, sie hat einen handfesten Effekt – auch wenn sie nur ein Anfang ist und wir jetzt vor allem in Sachen Wohnen und Mobilität, den beiden größten „Posten“ auf der Liste unseres Ausstoßes an CO2-Äquivalenzen, dringend nachziehen müssen.